Ein „Easy Going Guy“ hat vor nichts Angst

Es ist Ende Jänner, aber die südafrikanische Sonne strahlt mit voller Kraft vom Himmel und Christoph steht der Schweiß auf der Stirn. Er wischt sich mit der Hand über das Gesicht und macht sich auf den Weg von der Traubenübernahme in die Weinlagerhalle. Die Weinlese ist gerade in vollem Gange. Christoph stapft mit schnellen Schritten über den Sandboden und wirbelt dabei jede Menge Staub auf. Auf der Ziegelmauer der Lagerhalle steht mit Kreide der Spruch „N‘ai pas peur“ geschrieben. Das ist Französisch und bedeutet „Hab keine Angst“. Christoph arbeitet gerade für den südafrikanischen Winemaker Craig Hawkins, der eigentlich Ire ist und den Spruch an die Wand seiner Lagerhalle in Swartland geschrieben hat.

Christoph Heiss gefällt dieser Satz. Zu Hause wird er ihn später auf eines seiner Weinfässer schreiben und darüber sagen: „Der Spruch macht uns jungen Winzern Mut und steht auch dafür, dass man keine Angst haben darf, etwas Neues auszuprobieren“. Christoph ist Winzer und betreibt ein zwölf Hektar großes Weingut in Engabrunn, im niederösterreichischen Kamptal. Er ist 29 Jahre alt, hat blonde, lockige Haare und eine ungezwungene, lockere Art.

Nachdem Christoph 2009 die Wein- und Obstbauschule in Klosterneuburg absolviert hat, geht er 2011 das erste Mal ins Ausland, um Erfahrung im Weinbau zu sammeln. In Marlborough, auf der Südinsel von Neuseeland lernt er, dass es Weintanks gibt, die das Vielfache seiner gesamten Jahresproduktion beinhalten. Für ihn ist die Arbeit im 2.000 Hektar großen Riesenbetrieb vor allem ein Abenteuer. Im Jahr darauf zieht es Christoph in die Pfalz, zum renommierten Weingut Dr. Bürklin-Wolf. Dort, wo mitunter die besten Rieslinge der Welt gekeltert werden, kommt er das erste Mal so richtig mit Naturwein in Berührung.

Die Verwendung des Begriffs Naturwein ist umstritten, aber letzten Endes geht es dabei darum, dass Wein möglichst ohne Zusätze und aufwendige Verfahren produziert wird, so wie früher. Christoph erklärt das etwa so: „Manche Winzer sind das ganze Jahr über nicht wirklich draußen im Weingarten und glauben, dass sie mit unterschiedlichen Hilfsmitteln im Keller einen guten Wein machen können. Meine Herangehensweise ist das genaue Gegenteil.“

Christoph versucht vom Rebschnitt bis zur Weinlese exakt und schonend zu arbeiten. Nach dem Pressen der Trauben lässt er den Saft „einfach machen“. Er verwendet Schwefel und andere Zusätze nur minimal und greift damit so wenig wie möglich in den natürlichen Prozess ein. Zur Gärung verwendet er keine Reinzuchthefe, sondern vertraut auf Spontangärung durch natürlich im Keller vorkommende Hefearten, die den Zucker im Most in Alkohol umwandeln. Das Ergebnis ist ein lebendiger Wein, der den Boden, auf dem er gewachsen ist, widerspiegelt.

Wenn man erfährt, wie Christoph seinen Wein macht, weiß man auch, wie er tickt und was ihn antreibt. Der Jungwinzer beschreibt sich selbst als umgängliche Person, die mit jedem auskommt, ohne anzuecken. In Swartland haben sie „Easy Going Guy“ zu ihm gesagt. Seine Freunde finden ihn manchmal etwas stur, aber mit ihm kann man auch über alles reden, weil er sehr vielfältige Interessen hat. Für große Worte ist Christoph nicht bekannt. „Er sagt das, was er sagt, wenn es für ihn passt“, sagt sein guter Freund Thomas Kuchlbacher über ihn.

Den Mut zum Experimentieren und die Dinge anders als die Meisten zu machen, hat sich Christoph in Südafrika angeeignet. Dort haben sich einige junge Winzer, wie Jurgen Gouws von Intellego und Craig Hawkins von Testalonga, zusammengetan, die den Status quo hinterfragen. Das hat Christoph so beeindruckt, dass er mittlerweile schon drei Mal dort war. In Swartland machen sie Weine wie früher. Mit der konventionellen Weinherstellung wollen sie nichts mehr zu tun haben. „Die Winzerclique dort ist zusammengewachsen, sie sind Freunde geworden und pushen sich gegenseitig. So kann etwas Neues wachsen und gedeihen“, sagt Christoph. Ihm ist der gegenseitige Austausch besonders wichtig und dass man offen über die Dinge reden kann.

Was ihn an seinem Beruf am meisten fasziniert ist die Verbundenheit zur Natur. „Wenn ich acht Stunden draußen bin im Weingarten und viel von meiner Umwelt mitbekomme, gibt mir das einen gewissen Ruhepol“, sagt Christoph. Außerdem schätzt er das selbstständige Arbeiten und wie sehr er seine eigenen Stärken einbringen kann. Als Landwirt ist ihm kurzfristiges Denken fremd: „Wenn ich sehe, dass meine Eltern und Großeltern viel Zeit und Energie in diesen Betrieb gesteckt haben, empfinde ich das nicht als Last, sondern viel mehr als Chance“, sagt der 29-Jährige. Sein Wunsch ist den Betrieb wortwörtlich auf einen gesunden Boden zu stellen und mit seinem Wissen so zu führen, dass er ihn später an seine eigenen Kinder weitergeben kann.

Auf die Frage was Weinbau für ihn bedeutet, antwortet Christoph: „Als Winzer hast du vom Rebschnitt am 1. Jänner bis zum 31. Dezember, wo der Saft gerade im Fass vergärt, ein Jahr lang die Möglichkeit, durch viele kleine Nuancen deinen Wein zu lenken, der ein Jahr später in die Flasche kommt. Wenn du dabei viele richtige Entscheidungen triffst, ist die Chance groß, dass du ohne viel einzugreifen einen spannenden Wein hervorbringst.“

Sein Denken ist nicht vom Streben nach mehr getrieben, sondern wie er wieder zurück zum Ursprünglichen findet. Was sein nächstes großes Ziel ist, weiß Christoph Heiss ganz genau: „Wir haben hinter dem Haus einen etwa dreieinhalb Hektar großen Weingarten. Den möchte ich einzäunen und darin Schafe halten. Aus dem Mist mache ich dann einen Kompost und der kommt in die Weingärten.“

hissö
V. l.: Jurgen Gouws und Christoph Heiss bei der Weinlese in Swartland, Südafrika.

Veröffentlicht von Martin

Hallo, mein Name ist Martin Grob und ich bin Journalist. Hier blogge ich über Themen, die mich bewegen. Ich interessiere mich für Politik, Sport, Reisen, Wein, Bier und Kulinarik und freue mich über jeden Leser. Willkommen auf meinem Blog.

Hinterlasse einen Kommentar